Ausschnitt: Brust eines Menschen, der ein schwarzes T-Shirt trägt mit der Aufschrift: Schwarz ist das neue Rentnerbeige.

Schwarz ist das neue Rentnerbeige

Ich kann euch einen Trick verraten, wie ihr auf dem Konzert schneller ans Bier kommt: Wenn in der Pause zwischen Vorband und Haupt-Act alles zur Theke rennt, gehörte ich früher zu denjenigen, die von der Bedienung übersehen wurden, weil es den Größeren und Stärkeren und Schnelleren leichter fiel, die Aufmerksamkeit des Personals zu erringen. Aber irgendwann hatte ich den Trick raus. Ich verrate nur so viel: Es hat etwas damit zu tun, über seinen eigenen Schatten zu springen und sein eigenes Erscheinungsbild infrage zu stellen. Auf geht’s:

Ich hatte schon immer mit meiner Unscheinbarkeit gehadert. Und auch damit, dass ich länger durstig blieb als andere. In meiner inzwischen 40jährigen Konzertlaufbahn erging es mir unzählige Male so, dass ich zur Konzertpause zwar durchschnittlich schnell bis nach vorne an die Theke des Bierstands kam, aber dann schlichtweg übersehen wurde. Und eines quälte mich ganz besonders: Wenn es mir gelang, den Augenkontakt mit einer Bedienung zu herzustellen, dann hatte ich manchmal das Gefühl, für die Besetzung der Hauptrolle in der Fernsehserie „Der Unsichtbare“ besser geeignet zu sein als David McCallum.

Drei Monsters Of Rock, Motörhead, Ozzy Osbourne, Deep Purple, Dio, Scorpions, ZZTop, Iron Maiden und weiß Gott wer sonst noch… ach, immer das Gleiche: Die Leute um mich herum trugen Becher, ich die Fassung.

Aber dann einmal, es war bei Judas Priest im Zenith, die Angel-of-Retribution-Tour, da hatte ich zur Abwechslung kein schwarzes T-Shirt an. Ich hatte mich nicht uniform wie die anderen Heavy-Metal-Fans in schwarzem Bandshirt gekleidet. Nein, ich hatte ein rotes Shirt an (Punk Rock Leg End – Charlie Harper). Wie im Traum: Ich, in der Konzertpause, ein roter Fleck mitten im Pulk durstiger Schwarzhemden, noch nassgeschwitzt von der soliden Vorband In Flames… und die Bedienung blickt mich, kaum, dass ich den Thekenrand fassen kann, an und fragt: „Ein Bier?“

Seitdem: nie wieder Schwarz auf dem Heavy-Metal-Konzert! Seitdem nie wieder zur Konzertpause durstig! Seitdem ist das Heavy-Metal-Konzert für mich eine Red-Shirt-Mission!

Nebenbei bemerkt, auch Schwermetaller werden älter. Irgendwie ist es seltsam geworden, mit über fünfzig immer noch rumzurennen wie Mitte zwanzig. Mir kommt das knappe Schwarze immer mehr wie Rentnerklamotte vor. Schwarz ist das neue Rentnerbeige… aber Heavy Metal höre ich immer noch.

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